Zwillings- oder Mehrlingsschwangerschaften
Wenn du zwei Kinder oder sogar mehrere gleichzeitig austrägst, bedeutet das eine erhöhte Belastung für deinen Organismus und ab einem gewissen Punkt der Schwangerschaft dann auch für dich. Als werdende Mehrlingsmama bist automatisch als Risikoschwangere eingestuft. Du wirst engmaschiger überwacht und hast mehr Kontrolltermine.
Doppelter Ausnahmezustand
Eine Mehrlingsschwangerschaft kann sehr beschwerlich sein. Der Bauch nimmt ungeahnte Ausmaße an und ganz normale Tätigkeiten werden schnell anstrengend. Es ist tatsächlich eine ganz besondere Ausnahmesituation und daher solltest du mehr denn je auf deinen Körper hören und dir großzügige Pausen nehmen. Vieles wird einfach liegen bleiben müssen, damit du dich ausruhen kannst und auch davon geht die Welt nicht unter.
Die häufigsten Probleme ergeben sich aus dem Gewicht der Kinder. Es baut sich buchstäblich doppelt auf. Die Fruchtwassermenge ist größer, ebenso die Plazenta, wenn nicht sogar zwei Mutterkuchen vorhanden sind. Der Muttermund hat eine hohe Belastung zu tragen. Nicht immer schafft er es, den Druck von oben auszuhalten. Ebenso wird der Uterus wesentlich stärker gedehnt und diese Tatsache führt unter Umständen zu vorzeitigen Wehen. Du hast darauf keinen Einfluss und es muss auch nicht zwingend der Fall sein, dennoch kommen vorzeitige Wehen bei Mehrlingsschwangerschaften rein statistisch häufiger vor.
„Zwillingsgeburten nach oder um den Termin herum habe ich häufig erlebt. Aber sicher mindestens genauso oft auch wesentlich früher. Man versucht natürlich (wie bei Frühgeburten auch) mindestens die 36. Woche zu erreichen. Sind die jenseits der Frühgeburtsgrenze Kinder nicht untergewichtig (und liegt das erste Baby mit dem Köpfchen unten) ist eine ganz normale Entbindung möglich.“
Aufklärung zum Feto-fetalen Transfusionssyndrom
Das Feto-fetale Transfusionssyndrom ist ein Krankheitsbild der Plazenta. Es entsteht bei eineiigen Zwillingen während der Schwangerschaft und zwar, wenn zu viel Blut durch verbindende Gefäße in der gemeinsamen Plazenta von einem Kind zum anderen fließt. Auf diese Weise bekommt ein Zwilling, der sog. Rezipient zu viel Blut, was zu einer Belastung des Herz-Kreislauf Systems führt und Tod durch Herzversagen zur Folge haben kann. Der andere Zwilling, der sog. Donor, bekommt wiederum nicht genug Blut und kann an der Unterversorgung sterben. Der Rezipient produziert überdurchschnittlich viel Harn und Fruchtwasser, welches erhebliche Beschwerden und Druck auf den Muttermund ausübt und somit zu einer Fehl- oder Frühgeburt führen kann. Der Donor hat kaum Harnproduktion und daher fast kein Fruchtwasser in seiner Fruchtblase. Die Zwillinge selbst sind vollkommen normal, die Probleme liegen in der Plazenta und diese führen dann häufig zu Fehlentwicklungen. Das Transfusionssyndrom betrifft nur eineiige Zwillinge mit einer! gemeinsamen Plazenta.
Es wird vermutet, dass der Grundstein in dem Moment gelegt wird, in dem sich das befruchtete Ei teilt und die Plazentastruktur mit ihren Blutgefäßverzweigungen festgelegt wird. Bekannt ist, dass es umso größere Probleme gibt, je später sich das befruchtete Ei teilt. Fast alle Fälle kommen bei eineiigen Zwillingen mit zwei Fruchtblasen, aber einer gemeinsamen Plazenta vor. Man geht davon aus, dass bei 12 % der eineiigen Zwillingsschwangerschaften mit einer gemeinsamen Plazenta ein Feto-fetales Transfusionssyndrom vorliegt.
Die Auswirkungen noch einmal im Detail:
Der Rezipient bekommt zu viel Blut. Einige der Blutgefäße des anderen Zwillings teilen sich wie Weggabeln. Sie überqueren dann die gemeinsame Plazenta hinüber zum Rezipienten und er bekommt so sein eigenes Blut und zusätzlich noch Blut vom anderen Zwilling. Aufgrund der zusätzlichen Blutlast muss das Herz hart arbeiten, um es durch den Körper und die Plazenta zu pumpen. Das wiederum führt zu einer starken Belastung sowie Ermüdung und er kann dann an Herzversagen sterben. Er uriniert aufgrund des hohen Blutvolumens und -druckes sehr viel und produziert so eine große Menge Fruchtwasser. Dieses ist auch eines der frühen Zeichen für das Vorliegen eines Feto-fetalen Transfusionssyndroms und kann bei einer Ultraschalluntersuchung erkannt werden. Sichtbar ist die prall gefüllte Harnblase des Rezipienten und die deutliche Vermehrung der Fruchtwassermenge. Der Rezipient wächst meist schneller als der andere Zwilling.
Der Donor verliert Blutvolumen über die verbindenden Blutgefäße in Richtung Rezipient und erhält über eventuell vorhandene andere Blutgefäße nur wenig Blut zurück. Seine Entwicklung unterscheidet sich deutlich von der des Rezipienten. Er leidet an einer Unterversorgung von Blut, an deren Folgen er sterben kann, wenn das Feto-fetale Transfusionssyndrom nicht behandelt wird. Der Donor ist meist der kleinere Zwilling. Oftmals nennt man ihn auch „Stuck Twin", weil er kaum Fruchtwasser in seiner Fruchtblase hat und vom vermehrten Fruchtwasser des anderen an die Wand gedrückt wird. Dieses liegt an der geringeren Menge Blut, die er bekommt und wegen der er kaum uriniert. Die Harnblase ist im Ultraschall daher nur schwach oder überhaupt nicht gefüllt.
Wenn ein Feto-fetales Transfusionssyndrom in der Mitte der Schwangerschaft festgestellt wird und eine Behandlung ausbleibt, liegt die Wahrscheinlichkeit, dass die Kinder nicht überleben werden bei 80 % bis 100 % insgesamt bedingt durch Fehlgeburt oder intrauterinen Tod der Kinder.
Symptome eines Feto-fetalen Transfusionssyndroms
Zu den Anzeichen eines Feto-fetalen Transfusionssysndroms zählen eine für den Zeitpunkt der Schwangerschaft überdurchschnittlich große Gebärmutter und damit zusammenhängende Beschwerden wie Atemnot, Spannungsgefühl oder Rückenschmerzen.
Zudem geben Ultraschallbilder Aufschluss, die bei einer gemeinsamen Plazenta und gleichgeschlechtlichen Zwillingen die folgenden Merkmale zeigen:
- Deutlich zu viel Fruchtwasser in einer Fruchtblase und eine volle Harnblase dieses Kindes.
- Deutlich zu wenig Fruchtwasser in der anderen Fruchtblase und eine leere Harnblase dieses Kindes.
- Anzeichen für Herzprobleme bei einem Zwilling (eventuell Wasseransammlung im Körper).
- Unterschiede im Größenwachstum der Zwillinge.
Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?
Wird das Feto-fetale Transfusionssyndrom rechtzeitig erkannt, sollte es unverzüglich behandelt werden. Es gibt unterschiedliche Therapieansätze, die je nach Ausprägung und Gesundheitszustand von Mutter und Kindern gewählt werden:
Fruchtwasserentlastung in Form einer wiederholten Amniozentese
Dabei wird eine Nadel durch die Gebärmutter in die Fruchtblase des Rezipienten eingeführt und Fruchtwasser abgelassen. Bei dieser Methode wird vor allem die Gefahr einer Frühgeburt reduziert, während die Belastung der Zwillinge durch das Feto-fetale Transfusionssyndrom meist bleibt. Der Vorteil dieser Therapie ist, dass sie nahezu überall durchgeführt werden kann. Die Nachteile liegen in einer bei jeder Amniozentese bestehenden Gefahr der Fehlgeburt und darin, dass sich an den Belastungen für die Zwillinge meist nichts ändert. Bei dieser Therapie ist die Wahrscheinlichkeit, dass beide Zwillinge überleben 42 %, dass mindestens einer der Zwillinge überlebt 60 % und dass keiner der Zwillinge überlebt 40 %.
Laser Therapie
Mit dieser Behandlung versucht man, die Ursache für das Feto-fetale Transfusionssyndrom zu beseitigen, indem mittels eines Lasers die verbindenden Blutgefäße in der Plazenta unterbrochen werden und damit der Blutfluss vom Donor zum Rezipienten gestoppt wird. Der Vorteil dieser Methode liegt darin, dass das Problem direkt an der Wurzel behoben wird. Wenn während des Eingriffs alle Blutgefäße unterbrochen werden, haben die Zwillinge die Chance, sich von da ab unter ausgeglichenen Bedingungen weiterzuentwickeln. Nachteil der Therapie ist, dass sie nur in wenigen Kliniken in Europa durchgeführt wird und dass bestimmte medizinische Voraussetzungen (Schwangerschaft nicht älter als 25 Woche, Hinterwandplazenta) vorliegen müssen, damit sie durchgeführt werden kann.
Die Wahrscheinlichkeiten für das Überleben beider Zwillinge liegen hier bei 59 %, dass mindestens ein Zwilling von beiden überlebt bei 83 % und dass kein Zwilling überlebt bei 17 %. Allerdings besteht auch hier ein gegenüber einer normal verlaufenden Zwillingsschwangerschaft deutlich erhöhtes Risiko, dass überlebende Kinder neurologische Schäden mit Behinderungen unterschiedlichen Ausmaßes entwickeln. Dieses scheint jedoch kleiner zu sein als nach Fruchtwasserentlastungen (ca. 8 %).
Anlaufstellen für Informationen sind in erster Linie die betreuenden Ärzte und die Klinik für Geburtshilfe und Pränatalmedizin des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf, wo Lasereingriffe durchgeführt werden können.