Der Beckenboden
Die Beckenbodenmuskulatur ist ein höchst differenziertes, genau aufeinander abgestimmtes, mehrstöckiges Gebilde von Muskel- und Bindegewebeschichten mit Haltesträngen und Muskelplatten, die sich von vorne nach hinten und von rechts nach links in elastisches Geflecht verknüpfen. Es bestehen wichtige Zusammenhänge zwischen Beckenboden und Blase, Atmung, Haltung und Stabilität, sogar zwischen Psyche und Beckenboden. Er ist eine wenig beachtete Körperregion. Nicht selten wird man erst darauf aufmerksam, wenn man schwanger ist, oder der Beckenboden Probleme macht. Leider werden auch von Fachleuten noch immer falsche Anleitungen und Infos gegeben.
Zuerst liegt mir daran, mit einigen Irrtümern aufzuräumen: 1. In der Schwangerschaft sollte man den Beckenboden nicht trainieren, damit er bei der Geburt nicht zu unnachgiebig wird. Das ist schlicht falsch! 2. Nach einem Kaiserschnitt braucht man kein Training. Auch das stimmt nicht! 3. Der Beckenboden soll während des Toilettenganges trainiert werden. Es leiert die Muskulatur aus und ist so regelrecht kontraproduktiv. Also eindeutig falsch. Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, dass die hier dargestellten Übungen keinen Kurs ersetzen, da es sich nur um eine kleine Auswahl handelt! Auch Kurse gehen mit der Zeit. Man kann mehr Sportliches, Yogaelemente und/oder Pilates einbauen.
Irrtümer rund um den Beckenboden
Es gibt ein paar „Märchen“, die den Beckenboden betreffen, mit denen wir gerne aufräumen möchten. Zum einen liest man immer wieder, dass man den Beckenboden in der Schwangerschaft nicht trainieren sollte, damit er bei der Geburt nicht zu unnachgiebig wird. Zum anderen hört man auch, dass Frauen nach einem Kaiserschnitt kein Beckenbodentraining brauchen, aber auch das entspricht nicht der Wahrheit. Wenn du zudem gehört hast, dass man den Beckenboden nur während des Toilettenganges trainieren soll, darfst du auch das getrost vergessen. Training beim Harnlassen leiert die Muskulatur eher aus und ist so regelrecht kontraproduktiv.
Hinweis: Wir haben eine kleine Auswahl an Übungen für dich zusammengestellt, die jedoch keinen Kurs ersetzen. Idealerweise lernst du gewisse Übungen und Grundregeln in einem Kurs. Ein Trainer/einer Trainerin kann dich bei Bedarf korrigieren und auf mögliche Ausführungsfehler aufmerksam machen. Zwischendurch und um das Training regelmäßig fortzuführen, sind Übungen für zu Hause perfekt. Es gibt auch Kurse, die Beckenbodentraining mit sportlichen Elementen, Yoga- oder Pilatesübungen kombinieren.
Der Beckenboden in der Schwangerschaft und bei der Geburt
In der Schwangerschaft lockert sich der Beckenboden, Hormone bereiten ihn schon auf die Geburt vor. Er wird flexibler und weicher, gleichzeitig wird er von Gewichtszunahme und deiner veränderten Körperhaltung stark beansprucht. Das alles findet schon in der Schwangerschaft statt, somit macht eine Rückbildung immer Sinn – unabhängig davon, ob du dein Kind per Kaiserschnitt oder spontan auf die Welt bringst. Gerade in der Schwangerschaft nimmst du deinen Beckenboden (vielleicht zum ersten Mal) bewusster wahr. Du hast nun Zeit, um in dich hineinzuhorchen und ein gutes Gefühl für diese Muskelgruppe zu entwickeln. Das kann bei der Geburt durchaus hilfreich sein.
„Die Elastizität entscheidet maßgeblich mit darüber, ob Dammrisse auftreten oder Dammschnitte nötig werden. Also ist es empfehlenswert, einige Übungen zu machen, um für die Belastungen der Geburt gerüstet zu sein. Denk auch an die Dammmassage – nach Absprache mit deiner Hebamme kannst du etwa ab der 34. Schwangerschaftswoche damit beginnen!“
Was du noch machen kannst: Immer wieder deine Scheidenmuskeln anspannen und das mehrmals am Tag. Aber bitte nicht mit voller Blase! Das kannst du vor allem überall machen, es wird keiner merken. Wenn du etwas Gefühl für deinen Beckenboden entwickelt hast, kannst du beim Anspannen ausatmen und beim Loslassen einatmen. Das braucht etwas Übung, aber mit der Zeit wird es immer leichter für dich werden, die Übung und den Atem unter einen Hut zu bringen.
Während der Geburt wirken große Kräfte auf deinen Beckenboden ein. Das Baby schraubt sich den Geburtskanal hinunter, es ist eine ungewohnte Belastung. Zusätzlich sorgen Wehen dafür, dass du mehr Druck und möglicherweise Schmerzen verspürst. Wenn du in der Schwangerschaft gelernt hast, die Muskulatur des Beckenbodens bewusst unter Anspannung und Entspannung zu versetzen, dann kannst du während der Geburt aktiver mitarbeiten. Du kannst lockerlassen, wenn sich dein Baby nach außen/unten drückt beziehungsweise deine Hebamme dich dazu anleitet. Generell gilt eine angenehme, stressfreie Geburtsatmosphäre als förderlich für einen gesunden Geburtsprozess, der möglichst keine Verletzungen nach sich zieht.
Übungen für einen starken Beckenboden
Die Körperhaltung ist das A und O für einen belastbaren Beckenboden. Eine aufrechte Haltung dient nicht nur dem Rücken, sondern auch einer freien Atmung. Zudem werden die Organe gut durchblutet Organen und du fühlst dich auch gleich besser, wenn du aufrecht gehst oder sitzt.
Bereits im Frühwochenbett kannst du mit den ersten Übungen für den Beckenboden beginnen. Denk jedoch daran, dass du dich noch in einer sehr frühen Phase der Regeneration befindest und sich dein Körper erst nach und nach von den Strapazen der Geburt erholt. Lass die Zeit und beginne ganz sanft. Wenn du dir nicht sicher bist, sprich mit deiner Hebamme oder deinem Arzt/ deiner Ärztin. Deine allererste Übung im Frühwochenbett sollte das Küssen deines Babys sein. Dabei werden bestimmte Reflexzonen aktiviert, die auch auf den Beckenboden wirken. Und vergiss nicht das Anspannen und Atmen so wie du es auch schon in der Schwangerschaft geübt hast. Stille so oft es geht im Liegen und spann den Beckenboden dabei nie an, während das Baby trinkt.
Worauf du noch achten solltest:
- Trage keine engen Hosen oder Gürtel.
- Vermeide Bauchmuskeltraining und belastende Arbeits- oder Sitzhaltungen (dazu haben wir auch Bilder).
- Volleyball, Tennis und Joggen eignen sich nicht in der Schwangerschaft, im Wochenbett oder generell bei einem schwachen Beckenboden.
- Achte auf eine richtige Haltung beim Stehen. Bei uns findest du ein Bild, wie du nicht stehen solltest.
- Konzentriere dich stets auf eine gute Atmung.
- Im Stehen sollte das Körpergewicht gleichmäßig auf beiden Füßen verteilt sein. Du stehst gerade, das Brustbein ist aufgerichtet, die Schultern locker, die Schulterblätter „fließen" den Rücken herunter. Dein Kopf ist leicht und der Nacken sehr lang. Merkst du schon, wie du größer wirst? In Gedanken kannst du dich noch ein wenig „länger“ denken und innerlich strecken. Spürst du deine Muskeln im Rumpf, besonders im Taillenbereich?
- Nimm dir etwas Zeit für dich, es lohnt sich. Lege dich so wie hier abgebildet auf den Bauch. Konzentriere dich auf deinen Atem. Wohin breitet er sich aus? Spürst du ihn vorne unter dem Brustbein, oder/und nach hinten zur Wirbelsäule? Zur Seite unter den Rippen? Sogar oben in Richtung Schlüsselbeine?
- Lass die Bauchmuskeln ganz locker und fühle auch dort deinen Atemzügen nach. Nimmst du deinen Atem sogar im Becken wahr? Das gelingt nur, wenn das Gesicht, der Kiefer und der Beckenboden locker sind. Übung macht sich bezahlt - dann kann man das später auch in Rückenlage oder im Sitzen machen.
Übungen für das fortgeschrittene Wochenbett (Ab dem 10. Tag)
„Ich weiß, man hat als junge Mutter keine Zeit! Und schon gar nicht für sich selber. Das ist schade! Ich bin der Meinung, dass du gerade jetzt sehr viel für dich tun kannst und auch solltest. Wie du Zeit gewinnen kannst, haben wir im Artikel zum Wochenbett https://contaoratgeber2.babyforum.app/baby/wochenbett.html zusammengefasst. Achte gut auf dich, nimm dir die Zeit und nimm dich selbst ernst!“
Mit dem richtigen Training kannst du einer Blasen- und Gebärmuttersenkung vorbeugen, Hämorrhoiden schneller loswerden und wieder Kontrolle über den eigenen Körper bekommen. Dein Ziel sollte es nicht sein, fitter zu werden als vor der Schwangerschaft und auch nicht in kürzester Zeit eine Traumfigur zu haben. Die Rückbildung der Bänder und des Beckenringes braucht mindestens sechs Monate! Frühestens dann solltest du sportliche Aktivitäten wieder aufnehmen. Das gilt auch für das Laufen, Walken und Nordic Walking! Mach wenige Übungen, die dafür richtig und konsequent, belege einen Rückbildungskurs und baue einfache Beckenbodenübungen in den Alltag ein. Leg dir einen Softball oder ein Keilkissen zu, das ist sinnvoller als sämtliche Hilfsmittel, die da so angeboten werden. Beginne mit fünf bis zehn Wiederholungen pro Übung. Mit der Zeit kannst du dann langsam steigern.
Fotos:
Fliegende Beine: Diese Übung wird in Bauchlage ausgeführt! Sitzkeil oder Softball liegt unter dem Bauch. Beine strecken und in die Länge ziehen, bis sie knapp über dem Boden schweben. Das Schambein in die Unterlage drücken, den Beckenboden anspannen und die Beine einige Atemzüge lang schweben lassen.
Weiter mit den Übungen: Diese Übung wird in Rückenlage ausgeführt! Beine hüftbreit aufgestellt, der Softball liegt unter dem Po. Arme entspannt auf der Seite. Das Becken langsam am Ball entlang „aufrollen" dabei den Beckenboden anspannen und ausatmen. Beim Einatmen langsam wieder entspannen und zurücksinken.
Beinschaukel: Diese Übung wird in Rückenlage ausgeführt Keil liegt unter dem Gesäß, eine Hand seitlich auf dem Boden, die andere fixiert ein Bein nahe an der Brust. Das andere zur Decke strecken, dann langsam gestreckt das Bein Richtung Boden sinken lassen. Kurz vorher das Bein anhalten, Bauch und Beckenboden anspannen und mit dem Ausatmen das Bein wieder gestreckt nach oben führen, bis es wieder zur Decke schaut. Ein paar Mal wiederholen, dann wechseln.
Bauch wippen: Diese Übung wird im Vierfüßlerstand ausgeführt! Knie hüftbreit, Arme schulterbreit aufgestellt, auf den Boden gucken und den Rücken lang machen. Beckenboden spannen und das Körpergewicht von den Knien auf die Hände und Füße verteilen, bis sich die Knie etwas vom Boden abheben. Dann mit den Knien ein bis zwei Zentimeter hoch und runter wippen. So oft wiederholen, wie es die körperliche Verfassung erlaubt.
Balance: Mit den Augen einen Punkt in Augenhöhe fixieren, auf ein Bein stellen und ausbalancieren. Kannst du es schon gut? Dann kann man das angehobene Bein vor, zurück, seitlich oder im Kreis bewegen.