Geburtshäuser in Deutschland
Geburtshäuser und Hausgeburten werden gemeinsam als „Außerklinische Geburtshilfe" bezeichnet. Geburtshäuser werden üblicherweise von einer Hebamme oder einer Hebammengemeinschaft betrieben. In Hinsicht auf Organisation und Angebote für Schwangere, Gebärende und Familien gibt es jedoch viele Unterschiede, die teilweise auch regional begründet sind. Ob es in deiner Region ein Geburtshaus gibt, erfährst du bei deiner Hebamme, deiner Krankenkasse oder natürlich auch durch eine Recherche im Internet.
Geburt im privaten Rahmen
Eine Entbindung in den eigenen vier Wänden ist noch ein stückweit privater als eine Geburt im Geburtshaus. Der Unterschied ist der, dass du ins Geburtshaus gewissermaßen nichts mitbringen musst, wohingegen eine Hausgeburt mehr Eigenverantwortlichkeit und Vorbereitung deinerseits erfordert. In Geburtshäusern stehen dir üblicherweise ein Kreißsaal und viele Hilfsmittel wie eine Gebärwanne, Pezzibälle, Gebärhocker und andere Utensilien zur Verfügung. Dir zur Seite stehen dein Partner oder eine Begleitperson deiner Wahl und eine oder zwei Hebammen. Der Vorteil im außerklinischen Bereich ist die 1:1 Betreuung. Deine Hebamme unterstützt dich durchgehend – wenn man so möchte von der ersten Wehe bis ins Wochenbett. Die Geburt findet ambulant statt. Du triffst dich also mit deiner Hebamme im Geburtshaus oder ihr fährt gemeinsam hin (falls sie zuvor schon bei dir zu Hause war). Dein Partner ist selbstverständlich auch mit dabei. Gemeinsam erlebt ihr die Geburt und sofern alles komplikationsfrei verläuft, könnt ihr nach der Entbindung noch ein paar Stunden im Geburtshaus verbringen. Anschließend geht ihr wieder nach Hause und deine Hebamme kommt ab diesem Zeitpunkt zu täglichen Wochenbettvisiten. Ein Arzt/eine Ärztin ist während der Geburt nicht anwesend, die Möglichkeit medizinischer Interventionen ist eingeschränkt. Im Vordergrund steht tatsächlich das Vertrauensverhältnis zwischen der werdenden Mutter, dem werdenden Papa und der Hebamme. Die Atmosphäre ist ruhig, privat und entspannend.
Hinweis: Eine Geburt, die im Geburtshaus beginnt, kann bei Komplikationen jederzeit verlegt werden. Das bedeutet, dass deine Hebamme den Verlauf ganz genau beobachtet, was ihr wiederum möglich ist, da sie ja nur dich betreut. Sie kann sich vollkommen auf dich konzentrieren. Zeichnen sich Probleme ab oder kommt es zu einem Geburtsstillstand, wird deine Hebamme rasch reagieren und eine Verlegung ins nächstgelegene Krankenhaus veranlassen. Daher ist es wichtig, dass du dich während der Schwangerschaft im Krankenhaus anmeldest, auch wenn du eine Geburtshausgeburt planst. Im Falle des Falles sind deine Daten und Wünsche dort dann schon gespeichert.
Ebenfalls ist es wichtig zu wissen, dass nicht jede Schwangere in einem Geburtshaus entbinden kann. Grundsätzlich stehen die Häuser natürlich allen interessierten Frauen offen, es gibt jedoch gewisse medizinische Indikationen, bei denen eine Geburt im außerklinischen Kontext nicht zu verantworten wäre. Dazu zählen beispielsweise Mehrlingsschwangerschaften, Beckenendlagen, Frühgeburten oder Erkrankungen der Mutter oder des Babys. In solchen Fällen ist es empfohlen, eine klinische Geburt einzuplanen, da dort einfach auch die medizinische (Erst-)Versorgung gewährleistet werden kann.
Zusatzangebote im Geburtshaus
Je nach Ausrichtung des Geburtshauses und Zusammensetzung des Hebammenteams gibt es Angebote für Schwangere, die vor der Geburt ansetzen oder darüber hinaus gehen. Dazu zählen:
- Geburtsvorbereitungskurse
- Hebammensprechstunden
- Yoga für Schwangere
- Akupunktur
- Sport- und Bewegungskurse in der Schwangerschaft
- Kurse in Säuglingspflege
- Stillvorbereitungskurse
- Angebote aus dem Bereich der Elternbildung
- Psychosoziale Beratung
- Stillgruppen
- Rückbildungsgymnastik
- Babymassage
- Selbsthilfegruppen
- Körpertherapeutische Angebote
- Eltern-Kind-Gruppen, offene Austauschgruppen, Baby- und Krabbeltreff
Vorteile einer Geburt im Geburtshaus
Wer sich dafür entscheidet, in einem Geburtshaus oder in den eigenen vier Wänden zu entbinden, ist nicht selten mit fragenden Blicken oder Kritik konfrontiert. Auch werdende Väter sind nicht immer gleich begeistert von dieser Idee – bei ihnen stehen häufig Sicherheitsbedenken im Vordergrund.
„Wenn wir über die Option einer außerklinischen Geburt sprechen hören Frauen meist interessiert zu, die Partner sind da schon wesentlich skeptischer. Häufig werde ich gefragt, ob es überhaupt sicher sei, ein Kind außerhalb eines Krankenhauses auf die Welt zu bringen. Ich erkläre dann gerne, dass wir dazu eine gute Datenlage habe und es jede Menge Statistiken gibt, die belegen, dass eine Haus- oder Geburtshausgeburt nicht gefährlicher ist als eine Entbindung im Krankenhaus“.
Die Zahlen über Zwischenfälle oder auch Dammschnittraten, Geburtsdauer usw. sind für jeden einsehbar sind beispielsweise bei der „Gesellschaft für Qualität in der außerklinischen Geburtshilfe“ (QUAG e.V.) Hebammen kennen ihre Grenzen und Möglichkeiten und können zumeist auch den Zustand „ihrer“ Schwangeren sehr gut einschätzen. Sie wissen genau, wann eine Geburt sicherheitshalber im Krankenhaus stattfinden sollen und handeln bei jeder Geburt in der vollen Verantwortung für Mutter und Kind. Dieses Vertrauen solltest du auch deiner Hebamme entgegenbringen, wenn du planst, in ein Geburtshaus zu gehen oder zu Hause zu entbinden.
Zu den Vorteilen einer Geburtshausgeburt zählen:
- Intime, sehr private Atmosphäre
- Du kannst dich frei bewegen, deine Gebärposition jederzeit frei wählen und die Geburt weitgehend nach deinen Wünschen gestalten
- 1:1 Betreuung durch deine Hebamme (keine Schichtwechsel)
- Individuelle natürliche Geburt
- Kein Zeitdruck
- Mehr Ruhe, kaum technische Hilfsmittel
- Je nach Einrichtung können Frauen auch die ersten Tage des Wochenbetts dort verbringen und umsorgt werden (z.B. auch mit Mahlzeiten)
Nachteile einer Geburtshausgeburt
- Kosten für die Bereitschaftspauschal/Rufbereitschaft schwanken von Haus zu Haus. Dafür müssen die werdenden Eltern selbst aufkommen. Manchmal sind Zuschüsse von der Krankenkasse jedoch möglich – das solltest du in jedem Fall rechtzeitig anfragen.
- Für eine mögliche Verlegung ins Krankenhaus muss Zeit einberechnet werden.
- Die Möglichkeiten der Schmerzlinderung sind im Geburtshaus beschränkt. Hebamme können dir natürlich gewisse Schmerzmittel geben, eine PDA ist beispielsweise nicht verfügbar.
- Die Auswahl ist begrenzt. Immer mehr Geburtshäuser müssen schließen – es kann durchaus vorkommen, dass du einen längeren Anfahrtsweg bis zum nächstgelegenen Geburtshaus in Kauf nehmen musst.
Folgende Fragen könntest du zudem noch mit deiner Hebamme klären:
- Was bieten die Hebammen an?
- Ist eine zweite Kollegin dabei?
- Wann und wie werden die Frauen gewöhnlich ins Krankenhaus verlegt? In welches?
- Wie werden Notsituationen gehandhabt? Welche gab es bereits? Wie wurde reagiert?
- Kann die Hebamme aus dem Geburtshaus mitgehen ins Krankenhaus? In aller Regel übernimmt die Hebamme im Krankenhaus die Entbindung, aber je nachdem wie die Zusammenarbeit ist, kann die jeweilige Geburtshaushebamme eventuell bleiben und den Rücken stärken.
Qualitätsstandards in der außerklinischen Geburtshilfe
Es gelten für alle zertifizierten Häuser in Deutschland die gleichen Sicherheits- und Qualitätsstandards. Geburtshäuser sind nach DIN ISO 9001-2008 zertifiziert und entsprechenden Standards verpflichtet. Das gibt sowohl den werdenden Eltern als auch den Hebammen, die im Geburtshaus arbeiten und Abläufe koordinieren müssen, die notwendige Orientierung und Sicherheit. Eine Zertifizierung bietet dem gesamten Geburtshausteam strukturierte Arbeitshilfen, die ein einheitliches Zusammenarbeiten in allen Bereichen unterstützen. Das geburtshilfliche Team arbeitet nach den aktuellen, von den Krankenkassen aufgestellten, Leitlinien und Sicherheitsvorschriften, die für Geburtshäuser bindend sind. Den Familien bietet man dadurch den höchstmöglichen Sicherheits-, und Qualitätsstandard und die bestmögliche Betreuung rund um Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett.
„In einigen Geburtshäusern, arbeiten verschiedene Berufsgruppen zusammen, in anderen nicht. Manche haben viele Zusatzangebote, verfügen über eine Anbindung an eine Klinik, andere konzentrieren sich ausschließlich auf die Geburt. Das sagt aber nichts über die Professionalität der Geburtshilfe aus. Hebammen sind berechtigt und in der Lage, normale Geburten eigenverantwortlich zu leiten. Das Vertrauensverhältnis, das sich über längere Zeit zu einer Hebamme entwickeln darf, ist für die Geburt immens wichtig. Dafür ist im Rahmen einer geplanten Geburtshausgeburt einfach mehr Raum als im hektischen Klinikalltag.“